Auch wir haben gewählt
Veröffentlicht am im Schuljahr 2013/2014
Nicht nur alle Wahlberechtigten Deutschlands hatten die Chance von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Im Rahmen des PB- & Geschichtsunterrichts organisierte Herr Tanneberger mit der Klasse 11b eine (fiktive) Schul-Bundestagswahl. Die Ergebnisse lassen sich schon einige Zeit in der Pausenhalle betrachen, Fotos und eine Auswertung finden sich dort ebenso. Für alle Freunde des Digitalen und all jene, die den Weg in die Pausenhalle nicht finden können, gibt es auch hier auf unserer Homepage etwas davon zu sehen und zu lesen. Dass die Auswertung auch Ironisches enthält sei sicherheitshalber hier noch angemerkt. Wir wünschen eine unterhaltsame und informative Lektüre.
6 Parteien, eine Schule – Ihr habt gewählt!
Jede elfte Klasse beschäftigt sich mit dem ungemein fesselnden Thema Demokratie. In diesem Jahr jedoch fand glücklicherweise die Bundestagswahl statt. Der Gedanke, selbst eine Wahl zu organisieren, lag nahe und – gedacht, getan – wir machten uns daran, ihn umzusetzen. So sollten auch die Schüler an der anstehenden Bundestagswahl beteiligt werden. Zuerst wurden Gruppen gebildet, und dann (nachdem alle Meinungsverschiedenheiten bezüglich der aufzustellenden Parteien geregelt waren) recherchiert. Die Ergebnisse verarbeiteten wir zu fantastischen Plakaten, mit denen die Parteien vorgestellt werden sollten. Die künstlerische Umsetzung war hier sehr unterschiedlich, die Palette reichte von liebevoll gefertigten Sonnenblumen bis hin zu Stickern. Während der Arbeit wurde vieles diskutiert, Wahlprogramme, Politiker und Plakataufteilungen machten den „Parteien“ zu schaffen. Die Grünen debattierten die Anzahl der Sonnenblumenblätter, die Linke wetterte gegen die CDU, die CDU arbeitete hart an ihrem Plakatdesign. Dann wurden die Plakate ausgehängt, die Schüler informiert, und am Mittwoch, dem 18. 09. 2013, war es endlich soweit. Die Schule schritt zur Wahl.
Das Ganze begann recht friedlich, die Fünftklässler, die noch wissen, wie man sich zivilisiert verhält und zuhört, machten den Anfang. Im Laufe der Zeit stieg der Lärmpegel dann allerdings beträchtlich, aber alles in allem endete die Wahl mit nur wenigen Zwischenfällen.
Der nächste Schritt war die Auszählung der Stimmen. Das dauerte länger als erwartet, beim zweiten Anlauf stimmten dann aber die Anzahl der abgegebenen Stimmen zum Glück auch mit der Anzahl der Wähler überein. An unserer Schule lernen 209 Schüler, 181 haben gewählt, 28 wollten oder konnten ihre Stimme nicht abgeben. Das entspricht immerhin einer Wahlbeteiligung von ca. 86,6%. Unter den 181 Wahlzetteln befanden sich 7 ungültige.
Bei der Erststimme war der Sieger offensichtlich, von der Marwitz gewann die Wahl mit knapp 40% der Stimmen klar und erhielt damit als Direktkandidat der CDU einen Sitz in unserem „Bundestag“, der aus insgesamt 21 Sitzen besteht. Bei dieser Anzahl kommt auf 10 Schüler etwa ein Abgeordneter. Wir haben die Sitzverteilung nach dem Sainte-Lague/Schepersverfahren errechnet.
Das Zweitstimmenergebnis war leider weniger eindeutig. Die CDU wurde auch hier die stärkste Kraft, sie wurde von immerhin 35,01% der Schüler gewählt und erhielt insgesamt 8 Sitze (mit dem Direktkandidaten), verpasste aber die absolute Mehrheit. Normalerweise wird in diesem Fall einfach eine Koalition gebildet.
Allerdings bekam die FDP nur 7,47% der Stimmen und 2 Sitze, zu wenig für die absolute Mehrheit mit der CDU. Immerhin gelang es den Liberalen aber, die 5%-Hürde zu knacken, sie schafften also der Sprung in unseren Bundestag.
Der nächste Kandidat, die SPD, schnitt erstaunlich schlecht ab und erhielt nur 11,5% der Stimmen, also auch 2 Plätze. Zu einer großen Koalition reichte es also auch nicht.
Selbst eine Rot-Rot-Grüne Koalition der Linken (19,54%, 4 Plätze), der SPD und der Grünen (etwa 10,34%, 2 Plätze) brachte es nur auf gute 41 Prozent. Und eine Ampelregierung (SPD, FDP, Grüne) war deutlich zu schwach.
Bewährte Koalitionsmuster waren also ausgeschlossen. Grund dafür war auch die Piraten-Partei, die 16,1% der Stimmen erhielt und sich über drei Sitze freuen konnte.
Die Koalitionen, die immerhin eine knappe Mehrheit erhalten würden, sind dementsprechend abenteuerlich bunt. Theoretisch hätte eine Koalition aus CDU und Piraten natürlich eine Mehrheit, aber dass ausgerechnet die Konservativen auf große Fahrt gehen, um verborgene Schätze des Internets zu heben, scheint eher unwahrscheinlich.
Ansonsten hätten sich CDU, die Grünen und die SPD verbünden können, eine Farbkombination, zu der mir spontan nichts Gescheites einfällt und die Wikipedia Kenia-Koalition nennt.
Auch interessant ist die Mischung Schwarz, Gelb und Grün – als erstes kamen mir die Tigerente und Günter Kastenfrosch in den Sinn, aber im Saarland scheint so etwas unter dem Namen Jamaika-Koalition (alternativ Schwampel, Jamaika-Ampel, Schwarze Ampel oder sogar Saarmaika) tatsächlich 3 Jahre lang gelaufen zu sein, wobei der Begriff selbst aber schon länger herumspukt.
Persönlich befürworte ich aber eine Koalition der SPD, Grünen, Piraten und der Linken, die den Oppositionsparteien eine wunderbare Gelegenheit geben würde, sich als Retter Deutschlands zu beweisen sowie zum Gespött der Tigerentenkoalition zu werden, die in der Opposition dann endlich mal Gelegenheit hätte, so richtig an der Regierung herumzumäkeln.
Die Bundestagswahl war natürlich weit ernster und – den Wählern sei Dank – eindeutiger.
Die Wahlbeteiligung war zwar mit 71,5% geringer als an unserer Schule, allerdings war das Ergebnis viel klarer. Die CDU gewann mit 34,1% über ein Drittel der Stimmen für sich. Die SPD gewann 2,7% dazu und erhielt insgesamt 25, 7% der Stimmen. Die FDP verlor selbstverständlich nicht (Parteien verlieren nie, unabhängig vom Ergebnis), es stimmten allerdings nur noch 4,8% der Wähler für sie und die Partei verpasste den Einzug in den Bundestag, aber sie gewinnt so die Gelegenheit zu einem Neubeginn. Auch den Piraten gelang es nicht, den Bundestag zu entern, sie konnten nur 2,2% der Wähler begeistern. Die Grünen schnitten mit nur 8,4% der Stimmen sogar noch etwas schlechter ab als bei uns, auch sie haben jetzt die Chance gewonnen, parteiinterne Veränderungen einzuleiten. Die Linke erhält 8,6% der Wählerstimmen und ist im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 die zweitgrößte Verliererin (nach der FDP).
Die Alternative für Deutschland (AfD) – bei uns stand sie nicht einmal zur Wahl – erhielt 4,7% aller Stimmen und scheitert nur knapp an der 5%-Hürde. Ein beeindruckendes Ergebnis für eine Partei, die 2009 noch nicht einmal existierte. Außerdem bekamen verschiedene kleine Parteien insgesamt etwa 4,1% der Wählerstimmen.
Im Bundestag sind momentan also nur noch 4 Parteien vertreten: die CDU gewinnt 72 Sitze hinzu und erhält 311 Sitze, die SPD ist mit 192 Abgeordneten vertreten, 46 mehr als zuvor, die Linke verliert 12 Sitze und erhält insgesamt 64, und die Grünen bekommen 63 Sitze, verlieren also 5.
Welche Koalition letztlich regieren wird, ist noch unklar, bisher sieht es aber so aus, als ob CDU/ CSU und SPD eine große Koalition bilden werden. Natürlich wäre auch eine Rot-Rot-Grüne Regierung möglich, allerdings hat sich die SPD schon dagegen ausgesprochen. Andere Varianten sind nicht allzu wahrscheinlich, da die CDU und CSU ohne Not wohl kaum eine Regierung mit der Linken oder den Grünen bilden werden.
Im Vergleich von unserer Wahl mit der offiziellen Bundestagswahl wird deutlich, dass in beiden Wahlen die CDU weit vorne liegt, wobei sie bei uns sogar etwas besser abgeschnitten hat.
Auffällig ist das Ergebnis der SPD, sie erhält in der Schulwahl nicht einmal halb so viele Stimmen wie in der Bundestagswahl. Die Piraten dagegen haben mit 16,1% der Stimmen prozentual gesehen 8-mal so viele Schüler- wie Wählerstimmen erhalten. Auch die Linke ist vergleichsweise stark. Sie erhielt in der offiziellen Wahl nur halb so viele Stimmen wie bei uns. Die FDP war ebenfalls stärker.
Dass alle Parteien abgesehen von der SPD in unserer Schule so gut abgeschnitten haben, kann verschiedene Ursachen haben. Einerseits gab es weniger Parteien zur Auswahl, wodurch diese natürlich auch mehr Stimmen erhalten konnten. Zudem fielen die einzelnen Stimmen viel stärker ins Gewicht, da es weit weniger Wähler gab. Auch das führt natürlich zu Verzerrungen. Außerdem sind Schüler vermutlich leichter für die Piraten-Partei zu begeistern, da ihr ungewöhnlicher Name und das auf Internet bezogene Wahlprogramm junge Leute besonders anspricht. Die Linke ist in Brandenburg traditionell relativ stark, was sich auch in unserem Ergebnis widerspiegelt. Auch das Plakat und das Wahlprogramm haben allerdings in diesem Fall sicher eine große Rolle gespielt
Warum so wenige Wähler sich für die SPD entschieden haben, ist weniger einfach zu erklären. Ich kann nur spekulieren, aber entweder war das Plakat einfach nicht auffällig genug oder das Programm sprach die Schüler nicht besonders an. Insgesamt kann man natürlich viele Vermutungen anstellen, die sich aber alle schlecht beweisen lassen. Im Großen und Ganzen hatten wir viel Spaß bei der Organisation der Aktion, die vermutlich nur dank Herrn Tanneberger überhaupt glatt über die Bühne gegangen ist, und ich hoffe, dass wir allen den Ablauf einer Wahl näher bringen konnten. (L. Dahm, Kl. 11b)